Die Praxisübernahme und das „Zwei-Schrank-Modell“

Author Image Tobias Struebing | 31. Oktober 2021 | 0 Kommentare

Was passiert eigentlich mit Behandlungsunterlagen, wenn eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger eine Arztpraxis übernimmt oder wenn eine neue Betriebsärztin auf den bisherigen Betriebsarzt folgt? Das „Zwei-Schrank-Modell“ stellt in solchen Fällen den Datenschutz sicher.

Höchster Schutz für medizinische Daten

Wer sich ärztlich behandeln lässt, erwartet für seine Daten höchsten Schutz. Die ärztliche Schweigepflicht spielt dabei eine zentrale Rolle. Sie muss auch dann gewahrt bleiben, wenn ein Nachfolger eine Arztpraxis übernimmt oder wenn der Betriebsarzt wechselt.

Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren

Rein rechtlich ist alles klar: Nach Abschluss einer Behandlung muss ein Arzt die Patientenakte zehn Jahre lang aufbewahren. Das steht so in § 630f Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Pflicht besteht fort, wenn ein Arzt beispielsweise in den Ruhestand tritt und die Praxis an einen Nachfolger übergibt. Die Patientenunterlagen müssen weiterhin zuverlässig geschützt sein.

Zu schnell steht die Aufbewahrungspflicht nur auf dem Papier

Doch wie lässt sich das in der Praxis sicherstellen? Der bisherige Praxisinhaber will sich im Ruhestand um die Unterlagen nicht mehr kümmern. Und ein Betriebsarzt, der ausgeschieden ist, hat inzwischen auch anderes zu tun. Verständlich, dass er sich mit den vorhandenen Unterlagen am liebsten nicht mehr befassen möchte.

Die Elemente des „Zwei-Schrank-Modells“

Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet das „Zwei-Schrank-Modell“. Die Datenschutzaufsichtsbehörden empfehlen es. Inzwischen ist es allgemein üblich. Für klassische Patientenakten auf Papier funktioniert es in einer Arztpraxis so:

  • Man stellt in der Arztpraxis zwei Schränke auf.
  • In Schrank 1 kommen die Unterlagen, die bei der Tätigkeit des bisherigen Praxisinhabers entstanden sind. Sie werden eingeschlossen.
  • Schrank 2 ist zunächst völlig leer.
  • Den Schlüssel für beide Schränke erhält der Praxisnachfolger.
  • Der bisherige Inhaber der Praxis und sein Nachfolger schließen einen Vertrag. Darin verpflichtet sich der Nachfolger, die vorhandenen Unterlagen streng gesichert in Schrank 1 aufzubewahren.
  • Kommt ein Patient des bisherigen Praxisinhabers zum Nachfolger, fragt dieser den Patienten, ob er den Zugriff auf die vorhandenen Unterlagen erlaubt.
  • Meist ist das der Fall. Dann wird Schrank 1 geöffnet und die dort vorhandenen Unterlagen des Patienten kommen in Schrank 2.
  • Nach einiger Zeit hat sich Schrank 1 meist ziemlich geleert und Schrank 2 ziemlich gefüllt.
  • Die „Restunterlagen“ in Schrank 1 bleiben dort, bis die Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren abgelaufen ist. Dann werden diese Unterlagen datenschutzgerecht vernichtet.

Das Modell funktioniert auch bei elektronischen Unterlagen

Das Beispiel der klassischen Patientenakten auf Papier ist besonders leicht nachzuvollziehen. Das Modell funktioniert jedoch auch, wenn die Patientenunterlagen in elektronischer Form vorhanden sind. In wenigen Jahren dürfte das die Regel sein. In diesem Fall wird das „Zwei-Schrank-Modell“ einfach elektronisch nachgebildet.

Der vorhandene Datenbestand wird bei der Übergabe der Praxis gesperrt und besonders gegen Zugriff gesichert. Erst wenn der Patient gegenüber dem Praxisnachfolger zustimmt, schaltet der Praxisnachfolger den Datensatz frei. Das muss er selbstverständlich nicht unbedingt persönlich tun. Auch jemand aus dem Sprechstundenteam, der dafür besonders eingewiesen ist, kann das erledigen.

Besonders datenschutzkonform: die Protokollierung von Zugriffen

Die elektronische Variante ist besonders datenschutzkonform. Bei ihr ist es problemlos möglich, jeden Zugriff zu protokollieren. Wenn die Protokollierung richtig eingerichtet ist, lassen sich die gespeicherten Daten im Nachhinein nicht mehr verändern. Dann lässt sich bei etwaigen Beschwerden leicht feststellen, ob alles ordnungsgemäß abgelaufen ist oder nicht.

Kleine Besonderheiten beim Wechsel des Betriebsarztes möglich

Beim Wechsel des Betriebsarztes lässt sich das Modell an die Strukturen anpassen, die jeweils vorhanden sind. Manche Unternehmen haben die Funktion des Betriebsarztes bei einer externen Praxis angesiedelt, die auch die Patientenunterlagen aufbewahrt. Dann passt alles, was bisher gesagt wurde, 1:1. Bei anderen Unternehmen erfolgt die Aufbewahrung der Patientenunterlagen im Unternehmen selbst. Zugriff hat dabei selbstverständlich nur der Betriebsarzt. In diesem Fall müsste der Schlüssel für die vorhandenen Unterlagen so lange beim bisherigen Betriebsarzt bleiben, bis ein neuer Betriebsarzt bestimmt ist.

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